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Nichteheliche Lebensgemeinschaften

"Man will doch keine Katze im Sack kaufen", – so drückte sich im Brautunterricht der Bräutigam recht bildlich aus.
Seine Braut vor Augen denke ich mir, wiewohl im letzten inkompetent:
Wieso Katze? Wieso Sack? Wieso kaufen?

Lothar Zenetti


1. Die Situation

Die Tatsache, daß heutzutage Menschen in nichtehelichen Gemeinschaften zusammenleben, zeigt sich in allen Lebensbereichen, in der Stadt genauso wie auf dem Land, im hochhaus genauso wie im Zweifamilienhaus. Die Tatsache ist im allgemeinen weitgehend akzeptiert, wird allerdings im kirchlichen Raum als besonders schmerzlich empfunden.

Weil mittlerweile auch viele Priester und sogar Bischöfe von diesem Problem betroffen sind und in der eigenen Familie Verwandte haben, die in nichtehelicher Gemeinschaft leben, wird dieser Zeiterscheinung von seiten der Kirche menschlicher begegnet als vor Jahren.

Grob geschätzt läßt sich sagen, daß etwa 1/3 der jungen Menschen in nichtehelicher Gemeinschaft zusammenleben, wobei allerdings in Nordeuropa ein Nord-/Südgefälle festzustellen ist. Im sozialen Umfeld werden solche Gemeinschaften immer mehr geduldet oder gebilligt.

Interessant ist das Phänomen, daß zunächst tolleriert wurde, wenn ältere Paare (Rentner) zusammenzogen. Verständlich ist diese großzügige Haltung vielleicht vor dem Hintergrund, daß in solchen Fällen die Sexualität im Zusammenleben außerhalb der Vorstellung lag. Dagegen kann ja gerade bei jungen Paaren die geschelchtliche Gemeinschaft eben nicht ausgeklammert werden.

Man kann in etwa sagen, daß nach ca. drei Jahren für solch junge Paare der Punkt, an dem ihre Situation eine Entscheidung von ihnen fordert, die dann oft in der Eheschließung mündet. In diesen Fällen ist solches Zusammenleben ein vor-eheliches Stadium, das mit dem Begriff »Ehe auf Probe« nicht gerade glücklich aber doch greifbar umschrieben werden kann.

Die Eheschließung ist also in den meisten Fällen das Ziel solchen Zusammenlebens.

Eine »Ehe ohne Trauschein« ist also nur einer ganz kleinen Gruppe zuzuschreiben, die bewußt eine »Alternative« zur Ehe suchen will.

 

2. Hintergründe

Warum ist es gerade heute schwierig, Ehe zu leben?

  • Im Gegensatz zu früheren Zeiten lebt die Ehe heute weitgehend allein von der Beziehung der Eheleute, von der gegenseitigen Liebe der Partner.
  • Aufgrund der heutigen menschlichen Isolierung des Einzelnen wir die Ehe auch immer weniger als Institution empfunden.
  • Während früher »in eine Familie eingeheiratet« wurde, wird heute aus der Familie »heraus-geheiratet«, wobei auch der Dreiklang »Tadition – Sitte – Glaube« keine oder kaum noch Hilfe für eine neugeschlossene Ehe bieten kann.
  • Im Unterschied zur »familiären« Ehe sind junge Paare heuteauf dem Weg zur »partnerschaftlichen« Ehe.
  • Als ein weiterer Grund ist zu nennen: Jede dritte Ehe in Westdeutschland bleibt auf der Strecke.
  • So wachsen junge Menschen in der Mentalität ihrer Eltern auf: Wenn es nicht mehr klappt, lassen wir uns scheiden.
  • Dabei reichen etwa zwei von drei Scheidungen die Frau ein. Nur sehr wenige Scheidungen werden von beiden Partnern einvernehmend eingereicht.
  • Genau diese Tatsachen haben auch ihre Auswirkung auf das nichteheliche Zusammenleben junger Menschen, denn auch in diesen Fällen ist das Auseinandergehen der jungen Paare nur selten der Wunsch beider Partner.
  • Ferner kommen heutzutage ja schon sehr viele junge Menschen aus zerbrochenen Ehen und haben in beinahe traumatischer Weise Unfähigkeit zu gelebter Partnerschaft erlebt. Von daher kann man sagen, daß beinahe eine Angst vor einer lebenslangen Beziehung besteht, wogegen sich die jungen Menschen das Scheitern einer nichtehelichen Bindung als nicht so tragisch vorstellen.
  • Junge Menschen, die heute heiraten, sind wahrscheinlich die erste Generation, die in der Ehe alt werden können; die Goldene Hochzeit könnte die Regel werden, weil die Menschen heute im allgemeinen sehr viel älter werden als vor Jahrzehnten.
  • Oft aber stirbt heutzutage die Partnerschaft zu einer Zeit, wo früher einer der Partner starb.
  • Auch hat sich der Verlauf einer Ehe, des Ehe- und Familienlebens im Vergleich zu früher sehr geändert:
  • Männer heiraten durchschnittlich im Alter von 25 Jahren, Frauen im Alter von 22 Jahren.
  • Im Durchschnitt 3 Jahre bleibt die Ehe zunächst kinderlos.
  • Das Durchschnittsalter der Eltern liegt für die Väter bei 29 Jahren, für die Mütter bei 26 Jahren.
  • Da die Kinder das Elternhaus zwischen den 20. und 25. Lebensjahr verlassen, werden in Zukunft viele Eheleute bei ihrer Silberhochzeit wieder kinderlos sein. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Männer von 69 Jahren und der Frauen von 75 Jahren heißt das, daß die Eheleute nun für ca. 20 Jahre »mit sich selbst« zurecht kommen müssen.
  • Als weiteres Moment der Erschwernis für junge Menschen heute ist die Tatsache zu nennen, daß in einer sich verschärfenden Diasporasituation des Christentums es für junge Christen immer wahrscheinlicher wird, einen anderen lieben zu lernen, der mit Glaube und Kirche nichts (mehr) zu tun hat oder haben will. Und diese Schwierigkeit muß man vor dem Hintergrund bedenken, daß sie erleben, wie auch nichtgläubige Menschen glücklich sein/werden können.

 

3. Motive

Als Motive für nichteheliches Zusammenleben junger Paare sind einige Punkte zu nennen, die auch als schlagwortartige Gründe zu hören sind:

  • »Wir lieben uns! – Das geht niemanden etwas an.«

Positiv an dieser Haltung ist: Der Stellenwert der Liebe ist sehr hoch und ist die Grundlage dieser Beziehung, die auf den anderen ausgerichtet ist.

Auch hier ist anfanghaft der Versuch zu finden, diese Beziehung auf Dauer anzulegen.

Kritisch ist anzufragen, ob nicht eine solche positive Verbindung einmünden muß in eine öffentlich dokumentierte, eindeutige Verbindlichkeit.

  • »Wer unverheiratet zusammenlebt, ist dem Partner gegenüber stets neu zur Werbung um den anderen verpflichtet.«

Positiv festzustellen ist das stetige Bemühen des einen um den anderen, im Gegensatz zu manch leer gewordenen Ehe.

Kritisch anzumerken ist, daß es nicht an der (Institution) Ehe liegt, wenn die Liene leer wird, sondern an den Menschen, die ihre Liebe (gleich mit oder ohne Ehe) leer werden ließen.

  • »Jetzt lieben wir uns. Aber ob wir uns in fünfzehn Jahren noch lieben...?«

Positiv ist die ernsthafte Frage an die gemeinsame Zukunft und die Sorge um die gemeinsame Zukunft.

Kritisch anzumerken ist, daß die Ehe immer gelebtes Abenteuer ist, dessen letztes Risiko nicht einfach übersprungen werden kann. Ein schottisches Sprichwort sagt: Wenn wir heiraten, übernehmen wir ein versiegeltes Schreiben, dessen Inhalt wir erst auf hoher See erfahren.«

So kann man Treue damit umschreiben, daß man sich stets neu auf Entdeckungsreise begiebt, bei dem anderen Neues und Liebenswertes zu entdecken und ihn an sich neu entdecken zu lassen.

  • »Wer später einmal heiraten will, sollte diese Gemeinschaft zunächst erst proben.«

Positiv ist der hier geäußerte hohe Stellenwert der Ehe und das hohe Verantwortungsgefühl junger Menschen, die sich hier bewußt für die Ehe prüfen wollen.

Kritisch zu bemerken ist, daß der Begriff der Liebe solch einer Probe entgegensteht: Lieben heißt, ein unbegrenztes Ja zu sagen zu einem anerkannt begrenzten Menschen. (Neysters) Denn letztlich wird bei der »Ehe auf Probe« nicht die Ehe auf Probe gestellt sondern der andere Mensch. Und hier liegt eine Gefahr, denn wie kann ich an einem Menschen etwas Neues, Liebenswertes entdecken, den ich auf Gegenseitigkeit »gemietet« habe.
Eine junge Frau sagte auf einer Tagung zu diesem Thema: »Wir lebten ein 3/4 Jahr ohne Trauschein zusammen; dann mußten wir heiraten, nicht, weil wir ein Kind erwarteten, sondern, weil wir uns Letztes schuldig geblieben sind.« (Neysters)

 

4. Reaktionen

Warum sind gerade soviele ältere Menschen von diesem Verhalten junger Menschen entsetzt, warum soviele Eltern verunsichert?

Um diese Frage beantworten zu können, muß man sich zunächst einmal vor Augen führen, daß über Jahrhunderte die Ehe in der Darstellung der kirchlichen Unterweisung praktisch nur im Zusammenhang mit der Zeugung und Erziehung von Kindern gesehen wurde. Andere Werte, wie Liebe, Vertrauen, Gemeinsamkeit, das »Wir-Gefühl« zweier Eheleute, Dinge, die einzelnen Ehepaare wertvoll waren, kamen in der kirchlichen Lehre so gut wie nicht vor.

Wird der Sexualität in der Ehe solch ein absoluter Stellenwert eingeräumt, versteht sich von selbst, daß Sexualtät außerhalb der Ehe, die Ehe selbst in Frage stellt. Deshalb die strenge Beurteilung der außerehelichen Sexualität als Sünde.

Diese Bewertung liegt vielen von uns noch in den Knochen, nur eben vielen jüngeren Menschen nicht mehr. Es ist ihnen nicht bewußt, daß sie in ihrer nichtehelichen Gemeinschaft »in Sünde leben«, und nach dem traditionellen Sündenbegriff leben sie auch nicht in der Sünde, weil ihnen die Erkenntnis einer möglichen Sündhaftigkeit fehlt.

Von daher ist das Verhalten junger Menschen, die in nichtehelicher Gemeinschaft leben, nicht als unmoralisch abzutun und zu bewerten. Der Moralbegriff hat sich offensichtlich gewandelt und daran trägt die heutige Jugend keine Schuld.

Wenn wir schon fragen, wer Schuld an dieser Entwickung trägt, dann müssen wir sagen, daß die Generation der Nachkriegserwachsenen den neuen Moralbegriff geprägt hat. In diesen Zusammenhang gehören sicherlich auch die sogenannten Onkel-Ehen, die, wenn sich auch nur vereinzelt vorkamen und menschlich vertändlich waren, doch eine ganze Generation geprägt haben.

Irgendwie rümpfte man zwar die Nase (meist doch eher über die Frauen), aber letztlich wußte man doch nicht, ob man sich selbst in solcher Situation anders verhalten hätte.

Dazu ist vor dem Hintergrund des deutschen Fiaskos für die Zeit nach dem Krieg ein allgemeiner Autoritätsverlust zu verzeichnen: Alle Personen und Institutionen, die einst Autoritäten waren, werden nun kritisch unter die Lupe genommen. Niemand besitzt Autorität von sich aus sondern muß sich durch gute Argumente als Autorität erweisen. Dieser Autoritätsverlust hat auch die Kirche getroffen, und ein Pochen auf alte Verpflichtungen reicht heute nicht mehr als Argument aus.

 

5. Perspektiven

Die Ehe hat Zukunft vor dem Hintergrund von drei Lebenswünschen, die heute jungen Menschen wichtig sind:

  • Jemandem etwas zu bedeuten
  • Etwas wirken und bewirken zu können und dadurch auch wirksam zu werden, schöpferisch zu werden (denn typisch für die meisten nichtehelichen Gemeinschaften ist, daß der Kinderwunsch ausgeklammert wird)
  • Sich »festmachen« zu können; die Ehe als Ort einer gewissen Lebenssicherheit

 

5. Pastorale Folgerungen

Was ist zu tun?

Wir müssen mit sensiblem Unterscheidungsvermögen die Situation betrachten (Lehmann), die gute Gesinnung wahrnehmen und die positiven Absichten aufgreifen und verstärken.

Wir müssen die verborgenen Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume aber auch die Ängste, die Zweifel und die mangelnde Zuversicht zur Sprache bringen; all die Dinge kritisch anfragen, die unter Punkt 3 genannt sind.

Wir dürfen aber nicht zur Entscheidung drängen oder zwingen, müssen vielmehr Empfinden dafür haben, daß junge Menschen, die vor der Eheschließung zusammengelebt haben, diese Gemeinschaft nicht als Sünde empfunden haben (können).

Gefordert ist in jedem Fall das Apostolat, das Beispiel christlicher Eheleute in dem doppelten Sinn:

  • Es hat einen Sinn, sich ein Leben lang an einen Menschen zu binden.
  • Dieser Weg ist begehbar.

Deshalb ist es wichtig, daß die Dankgottesdienste aus Anlaß einer silbernen oder goldenen Hochzeit im Gottesdienst der Gemeinde gefeiert wird und nicht im engsten Kreis der Familie.

Junge Menschen brauchen vor der Erfahrung der Scheidungsmentalität das positive Beispiel, daas gerade an solchen Tagen gern aufgefriffen wird.

(C) Heribert Ester 1989


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